ABC der Jugendheiligen

Der heilige Gabriel Possenti

 

Stellt euch vor: 13 Kinder hatten der Gerichtsbeamte Possenti und seine Frau in Assisi, der Stadt des hl. Franziskus. Und Gabriel war eines der jŸngsten. Vier Jahre nach seiner Geburt starb die Mutter. Der Vater hing sehr an Gabriel, weil er ein so froher Kerl war. Eigentlich hie§ Gabriel Franz wie sein gro§er heiliger Landsmann Franziskus. Und er war sogar im gleichen Taufbecken im Dom zu Assisi getauft worden. Den Namen Gabriel bekam Franz erst spŠter, als er einen Schritt tat, mit dem sein Vater zuerst gar nicht einverstanden war. Er ging nŠmlich ins Kloster und zwar in den strengen Orden der Passionisten, die besonders die Passion, d. h. das Leiden und Sterben unseres Heilands und seiner schmerzvollen Mutter verehren.

Wie es aber zu diesem Ordenseintritt des Franz Possenti, gekommen ist, der dann den Namen Gabriel von der schmerzhaften Gottesmutter bekam, ist eine ganz eigenartige Geschichte. Franz ging ans Gymnasium in der umbrischen UniversitŠtsstadt Spoleto. Er lernte leicht und gut. Als er Student der 8. Klasse Gymnasium geworden war, war er zu einem gro§en, gerade gewachsenen, innerlich und Šu§erlich sauberen Burschen herangereift, er war der Liebling der Klasse, immer fršhlich und gut gelaunt, immer zu einem munteren Streich aufgelegt, nie verlegen, immer schlagfertig, immer hatte er die Lacher auf seiner Seite. Und tanzen konnte er, dass es eine helle Freude war. Die MŠdchen schauten sich nach ihm fast die Augen aus und rissen sich um einen solchen Partner bei Tanzveranstaltungen. Eines Tages fehlte Franz Possenti in der Klasse. Er hatte sich tags zuvor bei seinen Klassenkameraden verabschiedet. Wohin und wozu er verreist war, das hatten sie dabei nicht erfahren. Ein paar Tage darauf aber platzte die Nachricht wie eine Bombe in die Klasse hinein: ãHabt ihr es schon gehšrt, wohin Franz Possenti verreist ist? Stellt euch nur so etwas vor: Er ist ins Kloster gegangen! Wer hŠtte das von ihm vermutet?Ò

Ja, was war dem fršhlichen Studenten Franz Possenti nur eingefallen!!ÒDer wird es wohl im Kloster nicht lange aushalten!?Ò So dachten seine Klassenkameraden. Die raue Kutte, die enge, kahle Klosterzelle, die strenge Zucht und Ordnung, die harten Bu§Ÿbungen, wie sie damals ganz selbstverstŠndlich noch zu einem richtigen Kloster dazugehšrten, das alles wird Franz Possenti sicher bald satt werden, er wird bald wieder zur Vernunft kommen und seine verrŸckte Idee, Ordenspriester zu werden, aufgeben. Aber sie tŠuschten sich alle ganz grŸndlich.

Der Entschluss, ins Kloster zu gehen, war in Franz Possenti gar nicht so plštzlich aufgetaucht. Schon zweimal hatte der junge Gymnasiast den Entschluss gefasst, sich ganz Gott in einem strengen, zuchtvollen Orden zu weihen, er war dann aber wieder davon abgekommen. Wahrscheinlich aus Liebe zu seinem Vater, der so stark an ihm hing und ihn darum vom Klostergehen abbringen und mit hŸbschen MŠdchen zusammenbringen wollte.  Zweimal, in schwerer Krankheit, hatte der junge Student Gott versprochen, ins Kloster zu gehen. Kaum wieder genesen, war sein Versprechen auch schon wieder vergessen. Dann war seine Lieblingsschwester als erstes Opfer der Cholera, die 1855 in Assisi wŸtete, gestorben. Da war Franz Possenti ganz au§er sich vor Trauer und Leid. Dennoch brachte er es auch jetzt wieder nicht Ÿber sich, mit dem versprochenen gottgeweihten Ordensleben zu beginnen, nach welchem in stillen Stunden sich doch immer wieder sein Herz sehnte, weil er spŸrte, dass er nur so seinem Leben tiefen Sinn und Inhalt geben kšnnte, und weil er Ÿberzeugt war, dass der Heiland ihn mit den gleichen Worten rief, wie er einst die ersten Apostel gerufen hatte. ãKomm, folge mir nach!Ò

Da kam der Oktavtag vom Fest Maria Himmelfahrt 1856: Mit einem uralten Gnadenbild der jungfrŠulichen Gottesmutter, das sonst im Dom der Bischofsstadt Spoleto hoch verehrt wird, hielt man zum Abschluss der Festoktav eine Prozession. Der junge Student Franz Possenti stand wŠhrend dieser Prozession am Stra§enrand und schaute zu, statt fromm, gesammelt und betend in der Prozession mitzugehen. Als aber an ihm das Gnadenbild Mariens vorŸbergetragen wurde, da hšrte Franz Possenti aus dem Gnadenbild die Gottesmutter zu ihm sprechen: ãFranz, wann machst du endlich ernst mit dem Gott gegebenen Versprechen, ins Kloster zu gehen? Was man verspricht, muss man doch halten!Ò

Da war er nun bei seiner Ehre gepackt worden. Er beriet sich mit seinem Beichtvater. Dieser prŸfte lang und eindringlich, ob denn der  Ordens- und Priesterberuf in Franz wirklich echt sei. Der Beichtvater hatte ja in den vergangenen Monaten, wenn der lustige Student zur regelmŠ§igen Beichte zu ihm kam, gesehen, wie das Herz dieses jungen Kerls doch ganz stark auf Tanz und Unterhaltung, auf fesche Kleidung und lustige Gesellschaft ausgerichtet war. Wie wŸrde Franz auf all das plštzlich verzichten kšnnen? Zudem hatte der Beichtvater an Franz beobachtet, dass er oft recht aufbrausend und zornig werden konnte, wenn einmal sein Ehrgeiz nicht auf seine Rechnung kam oder seine Eitelkeit verletzt worden war. Wie sollte ein solcher Bursche Ordensberuf haben? Anderseits wusste der Beichtvater aber auch, dass Franz immer genau und gewissenhaft seine religišsen Pflichten erfŸllt hatte und dass er sich mit sexuellen Dingen nie beschŠftigt oder gar darauf eingelassen hatte, weil er eine ganz gro§e Heilandsliebe und Marienverehrung im Herzen trug. Vielleicht ist es doch wirklich so, dass ihm die Gottesmutter die Gnade des Ordens- und Priesterberufes vermittelt hat? Aber der Beichtvater hielt dem Studenten nochmals sehr ernst die schweren Opfer, die das Ordensleben gerade auch auf Grund der Gott zu weihenden JungfrŠulichkeit und Ehelosigkeit abverlangen wŸrde, vor Augen. Trotz allem wagte Franz den gro§en Schritt. Er vertraute auf die Gnade Gottes und die Hilfe Mariens.

Am 7. September 1856, am Vorabend von Maria Geburt, verlie§ Franz das Vaterhaus, machte noch eine Wallfahrt zum gro§en Marienheiligtum in Loreto in SŸditalien und trat dann bei den Passionisten im abgeschiedenen Kloster zu Morrovalle in den Abruzzen ein.

Wie hat sich der flotte Student, der nun den Namen Fr. Gabriel von der schmerzhaften Gottesmutter trug, in das strenge Ordensleben hineingefunden? Bestens! Er machte von allem Anfang an in vorbehaltloser Treue und Hingabebereitschaft ganz ernst mit den Ÿbernommenen Verpflichtungen. Der neue Name war ihm wie ein  Programm: Wie die demŸtige Magd des Herrn wollte er im Ordensstand Gott dienen und mit der Schmerzensmutter Maria wollte er immer wieder in dankbarer Liebe und in sŸhnendem Bu§geist sich hineinversenken in das Leiden und Sterben des gšttlichen Heilands. So genau nahm er in seinem Ordensleben alles und so treu und gewissenhaft befolgte er alles, dass sich ergraute Ordensleute an dem Eifer und Ernst erbauten, womit der junge Ordensmann sein Ich nach dem Ideal der Ordensregel zu formen suchte.

Leider waren ihm nur sechs Jahre im Orden vergšnnt. Nichts Au§ergewšhnliches ist von ihm bekannt geworden, nur dass er mit Šu§erster Gewissenhaftigkeit die Ordensregel lebte und Jesus Christus nachfolgte.

Im Jahre 1861 durfte er die ersten Schritte hin zum Priestertum machen durch Empfang der sogenannten vier niederen Weihen. Er sehnte sich mit ganzem Herzen danach, bald als guter Ordenspriester viel zur grš§eren Ehre Gottes und zum Heil der unsterblichen Seelen wirken zu kšnnen. Aber es kam ganz anders. Frater Gabriel von der schmerzhaften Gottesmutter wurde schwer krank. Schwindsucht hatte ihn befallen. Er erhob sich nicht mehr von seinem Krankenlager. Aber in den Monaten der schweren Krankheit ergab er sich ganz tapfer in den Willen Gottes und opferte alle Schmerzen im Geiste der SŸhne fŸr die Bekehrung der SŸnder auf. Er hatte sich vorgenommen, das gewšhnliche, die Pflicht, die Arbeit, das Gebet, den Gehorsam, die Opfer, die ihm abverlangt wŸrden, alles au§ergewšhnlich gut zu verrichten. Und er hielt sich daran, weil er wusste: Nicht das Au§ergewšhnliche macht einen Menschen heilig, nicht einmal die Wundmale, die jemand am eigenen Leib wunderbar eingeprŠgt erhŠlt, auch nicht VerzŸckungen und Erscheinungen, die einem zuteilwerden, sondern nur das redliche BemŸhen, im Gnadenstand alles aus Liebe zu Gott ganz treu und gewissenhaft zu tun. So reifte er in jungen Jahren zu gro§er Heiligkeit heran. Am 27. Februar 1862 beschloss er mit 24 Jahren sein heiligmŠ§iges Leben. Am 31. Mai 1908 hat ihn der heilige Papst Pius X. selig – und am 13. Mai 1920 Papst Benedikt XV. heiliggesprochen.

Der heilige Gabriel von der schmerzhaften Gottesmutter (Franz Possenti, wie er ursprŸnglich gehei§en hat) kšnnte allen Franzl und allen anderen Buben und Burschen von der 1. Klasse Volksschule bis zu den Maturanten der Hšheren Schulen ein prŠchtiges Vorbild und ein FŸrsprecher am Throne Gottes sein. Er hat sich bei aller Fršhlichkeit, die ihm eigen war, durch ZŸgelung seiner Triebe und Leidenschaften rein bewahrt, er hat Christus und Maria Ÿber alles geliebt und war ganz ergeben in den Willen Gottes.